Wir haben einen Trend begründet

Gabriele Leibetseder ist Prokuristin von ISOCELL. Und Expertin für die Welt der nachhaltigen Innovationen. Aber nicht nur das. Bei ihr laufen auch alle grünen Fäden im Haus zusammen. „Wir ISOCELLER sind ein bisschen anders - im positiven Sinn.“ so die vielleicht leidenschaftlichste ISOCELLERin. ISOCELL Mitarbeiter denken eigenständig und innovativ. Pioniergeist und positive Einstellung sind bei uns keine Schlagwörter sondern werden gelebt.

Gabriele Leibetseder, es gibt da ein Organigramm in der neuen Firmenzentrale von ISOCELL. Fast alle Pfeile führen auf dieser Darstellung in die Mitte – zu Ihnen. Dabei leiten Sie eigentlich nur die Bereiche Vertrieb und Technik. Sind Sie die Frau für alles bei ISOCELL?
Bei mir läuft alles zusammen, ja. Aber das greift zu kurz. Ich leite zwar etwa den Vertrieb, ich sage unseren Mitarbeitern aber nicht, was sie zu tun haben, sondern sie treten mit mir in Diskussion darüber, wie wir vorgehen sollen. Wir ­ISOCELLER sind ein bisschen anders – im positiven Sinn. Unsere Mitarbeiter denken eigenständig und innovativ. Es wird bei uns Pioniergeist und positive Einstellung gelebt. Das klingt vielleicht übertrieben, aber ist lediglich die Erfahrung der vergangenen Jahre. Ein gutes Beispiel ist unser Controller, den man am besten so beschreibt: Er ist kein biederer Zahlenjongleur, sondern jemand, der versucht mir Kennwerte so laiengerecht aufzubereiten, dass ich manchmal sagen muss: „Ein paar Zahlen brauch ich schon.“ (lacht)


Das Gefühl, dass es bei ISOCELL etwas anders zugeht als in den meisten vergleichbaren Unternehmen dieser Größe, vermittelt nicht zuletzt die besondere Atmosphäre im neuen, hochmodernen Firmensitz, der erst im Vorjahr eröffnet wurde. Warum kam es zu dem Bau?
Der Neubau war notwendig, weil wir einfach immer weiter gewachsen sind und effektiver werden wollten in unserer täglichen Zusammenarbeit. Wir haben jetzt wesentlich kürzere Wege, wovon unsere gemeinsame Arbeit täglich profitiert. Der Weg zu diesem an unseren Bedürfnissen orientierten architektonischen Konzept war lang. Wir hatten acht Pläne, wie dieses Gebäude aussehen könnte, und lange Diskussionen wegen verschiedenster Herausforderungen. Wir haben uns diesen praxisorientiert gestellt. Als wir uns etwa bei den Abläufen der zufahrenden LKWs unsicher waren, haben wir kurzerhand ein Modell bauen lassen und sind mit kleinen Modell-Autos maßstabgetreu Wege abgefahren. So haben wir  fast auf spielerische Art Lösungen gefunden, die heute unsere tägliche Arbeit erleichtern.


ISOCELL denkt ja gerne weiter – nicht nur beim Neubau des Firmensitzes. Das Unternehmen gilt als Pionier im Bereich der Zellulosedämmung und Luftdichtheitssysteme. Wie kam es eigentlich dazu?
Wir haben tatsächlich einen Trend begründet und werden heute auch deshalb kopiert. Der Pionier war der Unternehmensgründer und heutige Geschäftsführer Anton Spitaler. Ein Mensch, der keine Grenzen kennt, sehr naturverbunden ist und schon immer Ökologie und Nachhaltigkeit lebte. Er fand nach dem Bundesheer in Ewald Berendt bei der Firma Dihag einen Mentor und arbeitete früh mit innovativen, biologischen Materialien wie Kork- und Kokosfaser. Die Erfahrung Berendts und der Innovationsgeist von Spitaler ließen neue Ideen und Produkte entstehen: unter anderem die Zellulosedämmung, den Einblasdämmstoff aus Tageszeitungspapier. Weil das Produkt nicht zum Portfolio von Dihag passte, wurde ISOCELL im Jahr 1992 als Marke ausgegliedert.


ISOCELL ist allerdings weitaus mehr als nur Zellulosedämmstoff und hat ein breites Produktsortiment. Wäre der bekannte und beliebte Zellulosedämmstoff alleine nicht marktrelevant genug?
Es ist ein innovatives und beliebtes Produkt, aber Luftdichtheit und unsere breite Produktpalette mit Dach-Fassadenbahnen oder Dampfbremsen machen unser Angebot erst komplett. Das Zusammenspiel der Dämmbestandteile ist außerdem von großer Bedeutung. Es hatte ja auch einen Grund, warum wir einst begonnen haben, uns mit Luftdichtheit zu beschäftigen: Wenn die Dampfbremse nicht gut verklebt war, konnte unsere Dämmung nicht eingeblasen werden. Der positive Nebeneffekt ist, dass wir Materialien anbieten, die jeder Zimmermann benötigt. Wir haben in der Vergangenheit so viele Menschen ansprechen können, die unseren Dämmstoff noch nicht kannten oder noch nicht von ihm überzeugt waren. Man könnte sagen: Die anderen Produkte sind Türöffner für unsere Pionierarbeit als nachhaltige Dämmstoffanbieter.


Wenn wir trotzdem noch kurz bei der Zellulosedämmung bleiben: Wie nachhaltig ist diese Form der Dämmung wirklich?
Seit kurzem gibt es ein neues europäisches Projekt, das auch Baustoffe wie Kühlschränke oder Waschmaschinen mit Buchstaben nach ihrem ökologischen Fußabdruck bewertet. Bei dieser ganzheitlichen Betrachtung schneidet Zellulosedämmung in dem dafür als typisch betrachteten Aufbau weitaus am besten ab. Und zwar hauptsächlich deshalb, weil wir so geringe Energieaufwendungen in der Produktion haben und unser Rohstoff ein Recyclingmaterial ist. Wir sind dadurch aber auch eine große Gefahr für andere Mitbewerber wie Mineralwolle und werden auf europäischer Ebene aufgehalten. Zum Beispiel wird auf europäischer Ebene seit 3 Jahren unsere Produktnorm blockiert. Es werden, gesteuert von gegnerischen Lobbys phantastische Prüfszenarien erfunden, um den Erfolg der Zellulosedämmung zu behindern. Auch in Frankreich werden wir stark behindert – z.B. vom Ministerium für Bauzulassungen. Wir zahlen für eine Zulassung, die drei Jahre gilt, gleich viel wie Mineralwollhersteller für eine Zulassung, die sieben Jahre Gültigkeit besitzt. Das ist keine Verschwörungstheorie und auch keine geschönte PR – es sind lediglich Tatsachen, die wir wiedergeben. Dem gegenüber stehen zahlreiche externe Studien von Forschungs- und Prüfinstituten, wie der Holzforschung Austria, der FH Kärnten oder der TU Dresden, in denen sich immer wieder die Zellulosedämmung als vorteilhaft gegenüber anderen Materialien erweist. Sei es beim Hitze- oder Schallschutz, dem Feuchtigkeitsverhalten oder dem Widerstand gegen Rotationsströmungen, die einen großen Einfluss auf den realen Dämmwert haben.
ISOCELL-Produkte überdauern Jahrzehnte. Es gibt Umbauarbeiten, auf denen Zellulosedämmungen nach 23 Jahren aussehen wie neu. Aber die beste Dämmung ist externen Einflussfaktoren ausgesetzt, zum Beispiel drohendem Wassereinfall.

Kann man dem entgegenwirken?
Das Problem ist nicht, den Schaden zu beheben, sondern ihn zu erkennen. Deshalb forschen wir gerade im Bereich des Monitoring. Wir wollen etwa ein Dach mit Sensoren über­wachen. Das ist ein großes Thema der Zukunft. Wasser kommt ja ausschließlich von außen – und zwar nicht, weil der Dachdecker schlecht gearbeitet hat, sondern weil vielleicht Erdwespen ein Loch verursacht haben. Da Folien zur Abdichtung verwendet werden, erkennt man die undichten Stellen nicht. Und irgendwann kommt es zum Supergau.


ISOCELL gilt als Innovationsführer und ist bekannt dafür, viel Geld für Forschung in die Hand zu nehmen. Womit darf man in naher Zukunft rechnen?
Es gibt ein Projekt zusammen mit der HBLA Ursprung. Mit deren Schülern haben wir ein Verfahren entwickelt, bei dem aus Zellulosedämmung wertvoller Pflanzendünger entstehen kann. Genutzt wird dabei ein besonderer Bestandteil der Dämmung: Borsäure. Sie wirkt in der Dämmung als natürlicher Brandschutz. In der Landwirtschaft wiederum ist Borsäure ein bewährtes Düngemittel. Bei dem Verfahren der HBLA-Schüler wird die Dämmung bei über 500 °C zu einem Kohle-Bor-Gemisch verkohlt. Bor ist für viele Pflanzen ein lebensnotwendiges Spurenelement. Die in dem Gemisch enthaltene Kohle bindet über Jahrhunder­te ­atmosphärisches CO2 und verbessert den Nährboden der Pflanzenwelt. Noch gibt es allerdings keine behördliche Genehmigung. Wir sind dennoch nur einen kleinen Schritt davon entfernt, den einzigen Dämmstoff der Welt anzubieten, der nicht CO2-neutral, sondern sogar CO2-negativ ist.
Mittlerweile arbeiten für  ISOCELL rund 140 Menschen im In- und Ausland, produziert wird in Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich und Schweden.

Ist eine weltweite Expansion das Ziel für die Zukunft?
Wir haben bereits Anfragen aus allen Teilen der Welt. Wir haben schon nach Südkorea, Japan oder Israel geliefert. Über Dänemark sind wir auch auf den Färöer-Inseln vertreten und dank der französischen Überseegebiete sogar in Neukaledonien im Pazifik. Auch ein Projekt in Amerika steht zusammen mit einem Partner vor der Tür. Aber das ist uns eher passiert und wird nicht forciert. Wir wollen uns eigentlich nicht zu weit entfernen und sind mit der Fokussierung auf Europa zufrieden. Und dafür gibt es einen einfachen Grund: Wir sind auch im Denken grün. ISOCELL hat immer schon die Meinung vertreten, dass CO2 nicht auf der Straße liegen bleiben soll. Dort, wo in Europa große Kundenmärkte sind, haben wir ein Werk gebaut – so sorgen wir für kürzere Produktionswege, von denen nicht zuletzt die Umwelt profitiert.