Die Menschen wollen den Holzbau

Ein Feriendomizil aus Holz, geplant von einem Wiener Architekturbüro schmiegt sich an einen Hang nahe Traunkirchen am Traunsee. Die stylishen Lofts tragen den Namen SEE31. Ein perfekter Ort für einen Zukunftstalk zum Thema Holzbau.

Michael Buchleitner und Mira Thal sind die Köpfe hinter dem Wiener Architektenbüro Lakonis. Sie planen grosse Gesundheitseinrichtungen und Dachausbauten – und haben sich einen Namen gemacht in der Branche. Er stammt aus Stuttgart, sie aus Innsbruck. Also suchten sie irgendwo auf halber Strecke zwischen Arbeits- und Lebensmittelpunkt und ursprünglichen Heimatorten nach einem Feriendomizil in Seelage – und landeten am Traunsee. Die Wahl fiel auf ein Grundstück nahe Traunkirchen mit unvergleichlichem Blick auf den imposanten 1.691 Meter hohen Traunstein. „Es war ein Glück, dass wir es überhaupt gefunden haben. Wir glauben, die Hanglage hat andere Leute abgeschreckt“, sagt Michael Buchleitner heute, vier Jahre nach Fertigstellung. 


Aber auch die Fahrbahn, die das Grundstück vom Seeufer trennt, war ein Faktor. Bis vor kurzem war hier eine vielbefahrene Bundesstrasse, eine neue Umfahrung nahm ihr aber fast den gesamten Verkehr. Und wertete das Areal ungemein auf. Aus dem Feriendomizil wurde SEE31 – zwei Quader, einer mit zwei Appartements, einer als grosszügiges Ferienhaus. „Die Idee war eine Vier-Sterne-Plus-Unterkunft, weil es diese selten gibt in der Umgebung“, erzählt Buchleitner, der erstmals als Bauträger auftrat und auf den Geschmack kam. Seine Premiere war eine doppelte: Er entschied sich für den Baustoff Holz. Und traf bei seinem ersten massiven Holzhausprojekt auf Herausforderungen und Vorteile. Grund genug für den ISOCELLER, Michael Buchleitner zur Diskussion in seinen Holzlofts zu bitten. Die weiteren Gäste: Gabriele Leibetseder, Vizepräsidentin von BAU.GENIAL und Leitung Vertrieb und Technik von ISOCELL, sowie Wolfgang Aigner, Marketingchef beim renommierten Holzbauer Meiberger im Salzburger Pinzgau und früher bei pro:Holz.

Wir sitzen hier in einem der SEE31-Appartements in Traunkirchen. Ein Gebäude aus Holz, sichtbar von aussen und in der Inneneinrichtung. Und das in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit immer wieder ein grosses Thema ist. Dennoch setzen nur wenige Architekten auf den ökologischen Baustoff Holz und realisieren vergleichbare Bauwerke. Warum?

Gabriele Leibetseder: Um die vielfältigen Vorteile des Holzbaus wirklich zu nutzen, benötigt man spezifisches Holzbauwissen in Bauphysik und Statik, das in der klassischen Architektur- oder Bauingenieursausbildung nicht gelehrt wird. Die Schweiz ist in dieser Hinsicht Vorreiter. Den Holzbauingenieur gibt es dort schon seit 40 Jahren.

Welche Vorteile birgt der Holzbau in der Bauphase?
Leibetseder: Zum Beispiel können alle Details schon im Vorhinein abgeklärt werden. Es müssen keine Lösungen auf der Baustelle gefunden werden.
Wolfgang Aigner: In der Regel gibt es wirklich keine Überraschungen und kein Improvisieren auf den Baustellen. Jeder Anschluss an die Decke, an das Fenster oder das Fundament ist überlegt – bis hin zu den kleinsten Abdichtungen. Wir bei Meiberger Holzbau haben fünf Leute in der Werkplanung. Sonst wäre es auch nicht möglich, dass wir – wie aktuell in Luxemburg – innerhalb von zwei Wochen einen Viergeschosser mit acht Appartements aufstellen. Bei diesem Projekt merken wir einmal mehr, dass auch die Bauträger umdenken müssen. Der Grund dafür ist, dass zu Zeitpunkten Entscheidungen getroffen werden müssen, die man so nicht gewohnt ist.
Michael Buchleitner: Das ist ein wichtiger Punkt – es ist nicht nur ein Vorteil, dass alles im Vorhinein festgelegt ist und man keine Überraschungen erlebt, es ist sogar obendrein noch ein mehr als positiver Effekt, dass man in der Planung noch genauer ist. Das haben wir hier auch gesehen. Man muss beim Holzbau die Anschlüsse vorher wirklich genau überlegen. Doch die Firmen – uns fiel es etwa beim Trockenbauer auf – kennen viele Details einfach noch nicht, weil die Anforderungen im Holzbau anders sind. Dabei kommt mir vor, dass der Holzbau manchmal professioneller abläuft als der Massivbau. Der Wiener Architekturprofessor Helmut Richter hat immer gesagt: „Diese Patzerei mit dem Beton ist mittelalterlich“. Das ist die Überspitzung dessen, dass der Holzbau eine Entwicklung antreiben kann, die vom Massivbau nicht ausgehen wird. Ich sehe auch auf der Baustelle, dass Baumeister teilweise begrenztes Wissen haben, weil es genügt. Dadurch bauen wir aber eigentlich noch wie vor 100 Jahren.
Leibetseder: Im Massivbau auf jeden Fall. Kleinteilig mit Lösungen auf der Baustelle. Wir sind da schon weiter und können in der Vorfertigung sehr viel Zeit und Kosten sparen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Man denke allein auch an die Kostensicherheit. Den Kostenvoranschlägen von Holzbauern wird bereits mehr Glauben geschenkt. Und schliesslich wirkt sich die Bauzeitverkürzung um 40 % bis 50 %  auf die generellen Baukosten positiv aus, wenn man z.B. nur die reduzierte Zeit für die Zwischenfinanzierung heranzieht.
Buchleitner: Das Problem ist ja, dass wir möglichst weit vorplanen möchten, die Bauherren es aber oft nicht zulassen. Das erlebe ich immer wieder. Bei einem aktuellen Projekt mit 10.000 Quadratmetern hat der Auftraggeber den Begriff „Ausschreibungsplanung“ verwendet. Das bedeutet, die Ausführungs- und Detailplanung liefert noch nicht alle Informationen und es werden Entscheidungen hinausgeschoben. Was für eine Zeitverschwendung. Mir kommt vor, es gibt eine Tendenz, Dinge rauszuschieben.

Warum? Der Architekt ist mit seinen Entwürfen doch eigentlich an erster Stelle beim Bauvorhaben.
Buchleitner: Ja, es ist auch unser Wunsch, dass alles fertig geklärt ist, wenn der Bau beginnt. Daher sage ich: Was Sie über den Holzbau berichten, ist, was wir Architekten wollen. Am liebsten würden wir bis zur Bestuhlung und der Lärchenölung des Tisches alles vorbestimmen. Aber die Auftraggeber geben diese Flexibilität ungern aus der Hand.

Ein grosses Zukunftsthema ist der mehrgeschossige Holzbau. Sollten nicht gerade hier Bauträger den Werkstoff Holz bevorzugen?
Aigner: Eigentlich ja. Denn gerade Bauträger haben ohnehin ganz klare Vorgaben, wie viele Einheiten entstehen müssen, und benötigen Planungssicherheit. Übrigens hat der Holzbau in diesem Bereich auch deshalb stets einen Vorteil gegenüber anderen Bauweisen, weil man aufgrund der schlankeren Wände mehr Quadratmeter schaffen kann.
Leibetseder: Das geht so weit, dass man bei hundert Einheiten eine zusätzliche Wohnung erhält. Das muss man sich einmal vorstellen, dass solche Fakten bei Ausschreibungen keinen Niederschlag finden. Was übrigens auch der Grund ist, warum die Kosten auf den ersten Blick gegen den Holzbau sprechen, obwohl er eigentlich wesentlich wirtschaftlicher ist.
Aigner: Nur zur Einordnung: Beim mehrgeschossigen Wohnbau bei uns in Salzburg ist der Holzbau bei drei Prozent. Bei Einfamilienhäusern liegt er bei über 35 Prozent.
Buchleitner: Eine klare Steigerung zumindest.
Aigner: Auf jeden Fall. Aber im mehrgeschossigen Wohnbau gibt es immer wieder ein Pilotprojekt und mehr nicht. Die sozialen und gewerblichen Bauträger kommen oft aus dem Baumeistergeschäft. Und solange sie viel zu sagen haben, wird sich nicht viel ändern.
Buchleitner: Das sind eben Handwerker, die wissen, dass zuerst ein Fundament betoniert wird, dann Ziegel aufgestellt werden und dann verputzt wird. Da braucht es oft weniger Detailwissen als beim Holzbau.
Leibetseder: Ich habe ja auch schon von einem Architekten gehört, dass sich dort nichts bewegt, weil man sich nicht bewegen muss. Und die Holzbaukompetenz ist oft nicht vorhanden. Ich kenne aber auch ganz positive Geschichten, wo Architekten von Anfang an einen Holzbauingenieur hinzugezogen haben und es sehr gut funktioniert hat. Die Universität für Bodenkultur in Wien hat etwa ein neues Laborgebäude gebaut und sich aus wirtschaftlichen sowie architektonischen Gründen für Holzbau entschieden. Das wurde vom ersten Strich am Papier richtig geplant und man hat profitiert. Indem man zum Beispiel ein dreissig Zentimeter kürzeres Gebäude plant und dadurch bei Standardholzlängen bleiben kann, die natürlich weitaus preiswerter sind.

Warum haben Sie sich eigentlich für diese Art der Ausführung von SEE31 entschieden, Herr Buchleitner?
Buchleitner: Wir wollten etwas in Holz und mit natürlichem Werkstoff machen, weil wir ein Bauwerk wollten, das sich in die Gegend und Umgebung einfügt. Konkret wollten wir dabei für Boden, Decke und Wand bis hin zu den Fenstern und Jalousien dasselbe Holz haben. Die meisten Dinge waren klar, aber bei der Decke haben wir uns gefragt, ob wir sie sichtbar lassen mit Tafelelementen. Wir hatten keine Erfahrung und wollten die Decke verkleiden. Im Nachhinein muss ich sagen: Wir hätten das nicht tun müssen, weil ich die Kapazität vom Holzbau unterschätzt habe. Die Decke war so schön, dass die fertig verleimte Decke nicht beplankt werden hätte müssen.
Aigner: Das könnte man mittlerweile schon mit sichtbaren Nutzschichten in unterschiedlichen Holzarten fertigen lassen. Das ist aber erst relativ neu und war zu Ihrer Bauzeit noch nicht verfügbar.
Leibetseder: Sichtbares Holz ist immer eine gute Idee, da es sehr positive Auswirkungen auf den Menschen hat.
Buchleitner: Ja, ich habe erst kürzlich gelesen, dass es etwa die Herzfrequenz senkt.
Aigner: Ausserdem weiss man mittlerweile, dass die Wohnzufriedenheit dank Holz steigt.
Leibetseder: Bei einem sozialen Wohnbau in Wels, der in Holz realisiert wurde, hat man etwa festgestellt, dass es zu keiner Form von Vandalismus auf den Balkonen oder Wänden kommt.
Aigner: In England und Frankreich gibt es Untersuchungen in Kindergärten und Schulen, dass durch natürliche Oberflächen – speziell Holz – das Aggressionspotential signifikant sinkt.
Buchleitner: Wir haben hier natürlich ein gehobenes Zielpublikum, aber ich fand es interessant, dass ein Gast von SEE31 folgenden Spruch zitierte: „Zuerst machen die Menschen die Architektur und dann erzieht die Architektur die Menschen.“ Und er meinte, das sei hier so, weil er selbst beobachtet hat, dass er sofort die Schuhe auszieht, wenn er das Appartement betritt, weil es wertvolle Oberflächen sind. Er war also offensichtlich beeindruckt von der Wirkung des Holzes. Und das muss ich auch noch einmal sagen: Das Feedback unserer Gäste ist unglaublich positiv. Natürlich ist es auch die Lage, aber die meisten kennen reines Massivholz nicht in der Form, in der wir es verwendet haben. Ob es so im mehrgeschossigen Wohnbau geht, wie wir das hier haben, ist dann wohl doch wieder eine Kostenfrage.
Leibetseder: Ja, natürlich. Die gerade angesprochenen Beispiele im sozialen Wohnbau können nicht auf Massivholz setzen, aber es gibt viel sichtbares Holz, das ebenso funktioniert und schön ist.

Trotz diverser Projekte wie jenem in Wels – im internationalen Vergleich hinkt der mehrgeschossige Holzbau in Österreich hinterher. Und das trotz aller Vorteile. Woran könnte das liegen?
Leibetseder: Berlin baut etwa sehr viel. Unsere Firmen bauen zum Teil auch in Berlin. Laut einer Umfrage gibt es auch wirklich eine sehr relevante, holzbauaffine Käuferzielgruppe.
Aigner: Wir haben vor mehreren Jahren in Salzburg einen viergeschossigen Holzwohnbau realisiert. Geplant waren ursprünglich sechs Holzbaukörper. Übrig blieb einer in Holz. Die Baukörper wurden als Eigentum und Miete angeboten. Der Holzbau war an der am meisten befahrenen Strasse, aber die Wohnungen waren als erste verkauft. Es ist kein Zufall, dass der Holzbau prozentuell von Jahr zu Jahr zunimmt. Die Menschen wollen ihn. Das ist Fakt.

Werden Sie wieder in Holzbauweise bauen, Herr Buchleitner?
Buchleitner: Natürlich bin ich dabei, mich mehr damit zu beschäftigen, keine Frage. Wie wir jetzt auch schon angesprochen haben, war unsere Wahrnehmung bereits, dass die Planung einen höheren Stellenwert hat. Das ist für uns Architekten natürlich positiv, weil es unser Beruf ist. Und ich glaube, dass im Holzbau innovativer gearbeitet wird.
Aigner: Wir machen 85 bis 90 Prozent unserer Projekte mit Architekten. Die Architekten arbeiten sehr gerne mit uns, weil sie das Gefühl haben und darin auch immer wieder bestätigt werden, dass wir sie verstehen. Fenster, Haustechnik, Baumeister – alle Bereiche fliessen in unsere 3D-Planung ein, daraus werden Materialien und Fenster bestellt sowie Bauzeit-, Logistik- und Transportpläne erarbeitet, damit unterm Strich Qualität und Architektur stimmen.
Buchleitner: Das ist halt wirklich ganz anders als im Massivbau. Was Sie beschreiben, ist Werk- und Montageplanung, die gibt es beim Baumeister nicht. Gewerkeübergreifend zu arbeiten, ist vor allem spannend. Ist die Planungskompetenz bei Ihnen?
Aigner: Ja, die ist bei uns. Gerade im innerstädtischen Bereich planen wir auf 15 Minuten genau, weil zum Teil Strassen gesperrt werden müssen.
Leibetseder: Pro Tag ein Geschoss ist üblich. Ein weiteres Argument, das einen potentiellen Investor überzeugen sollte.
Buchleitner: Was am Ende als Gegenargument bleibt: Der Holzbau ist eben zehn oder 20 Prozent teurer.
Aigner: Das ist immer schwierig zu sagen. Wir sagen: Wenn man einen guten Holzbau mit einem qualitativ hochwertigen konventionellen Bau – also nicht Stahlbeton und Styropor – vergleicht, dann sind wir nur mehr fünf Prozent teurer. Dann sollte man aber auch die Vorteile mitbedenken. Neben den schon angesprochenen Vorteilen ist auch der Heizwärmebedarf beim Holzbau nachweislich um 30 bis 40 Prozent niedriger.
Buchleitner: Das sehe ich hier auch. Wir haben temporäre Nutzung. Ursprünglich stand im Business Plan einmal, dass wir ein Drittel des Jahres belegt sein möchten. Derzeit sind wir bei fast 50 Prozent, was uns sehr freut. Trotzdem stehen die Lofts die Hälfte der Zeit leer. Also war die Frage, wie lange wir vorher heizen müssen, und wir sind sehr positiv überrascht, wie günstig wir die Appartements warm halten können.

Was könnte oder müsste die Politik tun, um den Holzbau anzuschieben?
Leibetseder: Es gibt Länder wie die Schweiz, in denen es eine vorgeschriebene Quote gibt.
Aigner: Auch in Luxemburg, wo wir gerade arbeiten, gibt es etwa eine klare Quote. Dasselbe gibt es für Schulen und Kindergärten in England. Dadurch entsteht ein gewisser Druck.
Leibetseder: Aktuell sind es immer wieder Leuchtturmprojekte, über die gesprochen wird, es bräuchte aber mehr. Es muss Standard werden. Was wir in diesem Zusammenhang sehen: Wenn die öffentliche Hand baut, setzt es sich in der Bevölkerung durch. Diese Vorbildwirkung schlägt sich etwa in Vorarlberg nieder.
Buchleitner: In der Gesellschaft ist der Holzbau vielleicht gerade in Österreich zum Teil noch ein bisschen verrufen, weil ursprünglich einfachere Gebäude in Holz gebaut wurden. Das ist unter Umständen hier noch verankert und in anderen Ländern nicht.
Aigner: Was in Österreich dazu kommt, ist das West-Ost-Gefälle. Je weiter westlich, desto mehr wird Holzbau individueller Architektur realisiert.
Leibetseder: Am Ende des Tages ist man immer wieder überrascht, dass in anderen Ländern scheinbar mehr passiert, obwohl nach Österreich Delegationen kommen, um sich Vorzeigeholzbauten anzuschauen. Aber wir sind überzeugt, dass der Holzbau nicht aufzuhalten ist.

ISOCELLER 05