Alles begann mit einem Fachartikel über Borsäure. Eigentlich eine „Substance of very high concern“, also ein besonders besorgniserregender Stoff, für den allerdings das alte ParacelsusSprichwort gilt: „Die Dosis macht das Gift“. In richtiger Dosierung ist Borsäure sehr wertvoll. Für biologische Landwirtschaft zum Beispiel, weil sie viele landwirtschaftliche Nutzpflanzen benötigen.
Borsäure kommt zufälligerweise auch als natürlicher Brandhemmer zum Einsatz – als Teil der Zellulosedämmung von Isocell. Unsere Idee lag auf der Hand: Wir wollten experimentieren, ob aus diesem Zufall nicht etwas entstehen könnte.
Den ersten Versuch haben wir mit einem per youtube-Anleitung aus einer Konservendose gebauten Ofen gemacht. Wir haben aus altem Zellulosedämmstoff Kohle werden lassen und diese nach Seibersdorf zur Analyse geschickt. Und siehe da, das Ergebnis hat uns von den Socken gehauen. Wir starteten ein Projekt mit der HBLA Ursprung, an der ich als Lehrender tätig bin. Wir recycelten alte Zellulosedämmung, indem wir sie in einem Pyrolyseofen schadstofffrei und unter Nutzung der Abwärme verkohlten. Dies passierte übrigens bei der Firma Sonnenerde im Burgenland, weil dort damals der einzige zugelassene professionelle Pyrolyseofen Österreichs in Betrieb war.
Die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) untersuchte unser Produkt in der Folge auf alle erdenklichen Giftstoffe wie Schwermetalle, PAKS oder Dioxine. Das Ergebnis: Es unterschreitet alle gesetzlichen Grenzwerte klar. Wir sprechen übrigens bewusst von Produkt und nicht Dünger, weil man ein Erzeugnis erst Dünger nennen darf, wenn es tatsächlich als solcher zugelassen ist.
Mittlerweile forschen und experimentieren wir bereits seit zwei Jahren. Zwei Feldversuche sind beendet, vier laufen gerade. Wir haben bisher unter anderem festgestellt, dass Mais oder Raps davon profitieren und tatsächlich einen höheren Protein und Fettgehalt aufweisen. Auch standen bei unserem ersten geernteten Silomais unterm Strich sieben Prozent Mehrertrag. Ungeklärt ist noch das Phänomen, warum die Pflanzen auch mehr Mangan enthielten. Von der Borkohle stammt das Mangan nicht. Aber vielleicht hat Bor einen steigernden Einfluss auf den Manganstoffwechsel. Mangan ist eine spannende Substanz. Sie nimmt direkt Einfluss auf die Photosynthese, ist an der Bildung von Chloroplasten beteiligt und hat Einfluss auf das Zellstreckungswachstum. Noch spannender ist ein weiterer Effekt unseres Produkts: Unsere weiterverarbeitete Zellulose wirkt wie Aktivkohle und bindet daher den Geruch von Gülle – bis zu drei Viertel des Geruchs sogar, wie in einem Vorabkleinversuch der FH Wels erkannt wurde.
Was uns nun fehlt, ist der rechtliche Rahmen. Zwar gewähren die lokalen Behörden in Salzburg und Oberösterreich aufgrund der Nachhaltigkeit unseres Projektes mittlerweile vergleichsweise hürdenfrei weitere Feldversuche, doch ist unser Produkt offiziell nicht nur kein Dünger, sondern vielmehr sogar Abfall. Und Abfall darf auf kein Feld. Deshalb müssen wir es schaffen, unsere Versuche zu bestätigen und im Rahmen eines großen Forschungsprojekts signifikante Wiederholungen zu erlangen – um dann mit der wissenschaftlichen Basis die Genehmigung für unser Produkt zu erhalten.
Das wäre bahnbrechend. Als Experte für Ressourcenmanagement und Nachhaltigkeit beschäftige ich mich schon seit einiger Zeit mit Kreislaufwirtschaft und Kaskadennutzung. Kreislaufwirtschaft bedeutet, dass ein eingesetzter Rohstoff über den Lebenszyklus einer Ware hinaus wieder vollständig in den Produktionsprozess zurückgeführt wird. Kaskadennutzung heißt, dass ein Rohstoff über mehrere Stufen hinweg genutzt wird.
Nun ist der Zellulosedämmstoff von ISOCELL ohnehin schon ein sehr nachhaltiges Produkt: Herkömmliches Altpapier wurde zu jenem Zeitpunkt, in dem es zur Zellulosedämmung wird, bereits sechs Mal verwendet und auch der Dämmstoff kommt bis zu dreimal zum Einsatz. Wenn wir den zu recycelnden, alten Dämmstoff nun zu einem Dünger weiterverarbeiten können, führt das zur maximalen Kaskadennutzung des Rohstoffes Holz. Wir würden den Kreislauf schließen – und hätten am Ende sogar eine negative CO2-Bilanz, die de facto das Positivste ist, was man sich wünschen kann.
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