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Ganzheitliches Denken ist gefragt

Kay Künzel weiß, warum ganzheitlichem Bauen die Zukunft gehören soll. Schon einmal war er im ISOCELLER als Gesprächspartner mit dabei. Diesmal erläutert er, warum Holzbau manchmal den Zeigefinger auspacken darf und warum für ihn eine Wortkombination zur Mission geworden ist: "ganzheitliches Bauen".

Herr Künzel, vor über vier Jahren haben Sie in der ersten ISOCELLER-Ausgabe gesagt, dass der Begriff „nachhaltig“ inflationär gebraucht wird. Wie ist es heute um den Begriff bestellt?

Seitdem ist es noch schlimmer geworden. Man könnte meinen, die Gesellschaft hätte verstanden, jedoch ist Konsequenz aus dem Universalgebrauch des Wortes die resultierende Irrelevanz der ursprünglichen Bedeutung. Dabei ist er in guter Gesellschaft: Mein Leitmotiv „ganzheitlich“ erleidet ein ähnliches Schicksal.

Das überrascht uns nicht, immerhin prägen Sie den Begriff des „ganzheitlichen Bauens“. Was versteht man darunter?

Zu tun hat es damit, dass wir beim Planen und Bauen eine Vielzahl projektspezifischer Parameter in Einklang bringen müssen. Eben ein optimales Zusammenspiel der Komponenten: Die Gebäudehülle hat sehr komplexe Aufgaben zu erfüllen, die Haustechnik muss im Zusammenhang gesehen werden. Nur so viel oder besser so wenig Technik wie möglich. Technik nur dort wo sich physikalische Ungleichgewichte nicht natürlich ausgleichen lassen. Gerade weil wir den Wärmeschutz heutzutage mit hohen Effizienzzielen gesetzlich geregelt haben, weil ein verbesserter Wärmeschutz darauf abzielt, dass wir Ressourcen für das Bereitstellen von Wärme – und Kälte – reduzieren können. Aber woher weiß die Heizung eigentlich, dass sie eine gedämmte Gebäudehülle hat? Sie weiß es erstmal nicht. Und dort setzt ganzheitliches Denken und Bauen an. Es gibt eine große Diskrepanz zwischen architektonischen Ansprüchen und der Qualität der technischen Ausstattung. Über Architektur beim Hausbau kann man weitläufig diskutieren, eine sinnvolle, funktionierende und effiziente Haustechniklösung versteckt sich zu häufig hinter vorgeschobenen Normen und wird für die beteiligten Entscheider kaum bewertbar. Und dann gibt es noch eine dritte Säule: die Bauphysik. Bauen ist physikalisch herausfordernd – und das nicht erst, seit wir über die Wirtschaftlichkeit der Wärmedämmung sprechen. Wir haben schon lange Schimmel, Ausdünstungen oder Themen wie Aufenthaltskomfort zu meistern. Und auch wenn die Bauphysik eine vergleichsweise junge Disziplin ist, ist sie unsere Stellschraube. Dazu brauchen wir Kenntnis über die richtigen Materialien und Konstruktionen. Jedes Bauteil hat schließlich seinen Anteil an bauphysikalischer Last zu tragen. Und dann benötigt es Technik, welche die Bedingungen des Gebäudes und die Bedürfnisse seiner Nutzer kennt und unterstützt. Und das nennen wir „ganzheitlich“.

Und warum ist ganzheitlich nicht ganz selbstverständlich?

Den Zusammenhang, die Interaktion, Abhängigkeiten untereinander und vor allem die Einflüsse zwischen diesen Disziplinen zu beherrschen ist kaum leistbar und wird auch kaum geleistet. Es ist eben nicht des heutigen Ingenieurs Selbstverständnis. Die Beteiligten hegen zu wenig wirkliches Interesse an dem komplexen und hohen Aufwand der Optimierung ihrer Objektplanungen ‒ warum? Weil dieser Mehraufwand nicht belohnt wird.

Jetzt könnte man erwidern, ganzheitliches Bauen sei nun mal viel zu komplex.

Das liegt aber nicht an den Aufgaben der Ganzheitlichkeit im eigentlichen Sinne. Wir machen uns das Bauen doch selber viel zu schwer, indem wir im Dschungel vieler hunderttausender Gesetze und Normen mit einer Unzahl an künstlichen Baustoffen und komplizierten Details erst die Probleme schaffen, die wir dann mit noch mehr Chemie und Aufwand zu beseitigen versuchen. Im Sinne der Nachhaltigkeitsdebatte müssen wir uns der Frage stellen, warum bauen wir überhaupt Häuser.

Um ein Dach über dem Kopf zu haben?

Richtig, um uns vor Witterung zu schützen, um geborgen und beschützt zu sein. Und das machen wir in unseren Breitengraden nun einmal am liebsten mit möglichst viel Aufwand für Komfort. Wir wollen keine Aluminiumwellblechhütte ‒ in der viele Millionen Menschen auf dieser Welt leben ‒ wir haben einen entsprechenden qualitativen Anspruch. Und dieser Anspruch verursacht Komplexität und verbraucht Unmengen an Ressourcen. Ich bin aus Überzeugung für das ganzheitliche Bauen, auch wegen der nicht unendlichen und nicht überall verfügbaren Ressourcen. Wir müssen zurück zur Einfachheit, einfach denken, einfach bauen. Einfach konstruieren, Technik einfach nutzen.

Den gesamten Beitrag lesen Sie im ISOCELLER 9 ab Seite 4